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Donnerstag, 27. Dezember 2018

Dem Frieden nachjagen

Jahreslosung 2019 - Psalm 34,15Vielleicht sind wir uns alle darin einig, dass wir dem Frieden nachjagen, ihn ernsthaft suchen und ohne uns ablenken zu lassen auf seiner Spur bleiben müssen. Dennoch haben nicht alle dieselbe Vorstellung davon, wie dieser Friede aussehen soll.

Eine Testfrage wäre, was in der Welt fehlt. So könnte die Kirche ihren Beitrag erkennen, nämlich das beizusteuern, was noch nicht angeboten wird.

Ich sehe, wie es in Ost und West, Süd und Nord Einstimmigkeit darin gibt, dass Grenzen gesichert werden und Übertretende bestraft, dass Völker sich bewaffnen und Wirtschaften aus Waffenhandel gedeihen, dass fruchtbare Böden zugebaut und Lebenswelten mit langlebiger Chemie verschmutzt werden dürfen.

Es fehlen jedoch Stimmen, Äusserungen und Handlungen, durch die Menschen sich für Ausgegrenzte stark machen, Zäune einreissen, Übertretenden neue Perspektiven öffnen, Alternativen zum Waffenhandel für die Wirtschaft erfinden, Nationalismus abblitzen lassen und Bulldozer und Panzer blockieren. Es fehlt an Menschen, die den Frieden nicht nur innerlich suchen, sondern ihn mit anderen und für andere gestalten.

Wie ist die Kirche denn berufen, dem Frieden in unserer Welt nachzujagen?

Erschienen in "Kirche und Welt", 1+2/2019

Samstag, 1. Dezember 2018

Weihnachten – Geerdete Hoffnung

WeihnachtsroseDer Theologe Emil Brunner sagte einmal: «Was der Sauerstoff für die Lunge, das bedeutet die Hoffnung für die menschliche Existenz.»

Weihnachten ist für mich Ausdruck der Hoffnung, die jeden Tag in uns geboren werden kann: in einem Futtertrog in Betlehem, einem Co-Working Space in Zürich, in einer Familie in Meiringen oder in einer der vielen EMK Gemeinden.

Bevor ich Pfarrer wurde, habe ich mich in der Masterarbeit mit der christlichen Hoffnung beschäftigt. Dabei wurde klar: Christliche Hoffnung gründet in der Auferstehungsbotschaft Jesu Christi. Paulus meint dazu: «Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube.»

Die Auferweckungsbotschaft formte aus einem Haufen verzweifelter JüngerInnen mutige Menschen, die bis nach Rom verbreiteten, was sie erfahren hatten. Allerdings drohte ihre Botschaft abzuheben. Daraufhin unternahmen die Evangelien den Versuch, die Lebensgeschichte Jesu aus dem Blickwinkel nach Ostern nachzuzeichnen, um herauszustellen: Was wir erzählen, hat seine Bodenständigkeit.

Es reicht nicht, bloss von der grossen Hoffnung zu reden, sie muss immer wieder klein geboren werden. So bin ich oft selbst gefordert, die Hoffnung, dass die Liebe sich am Ende durchsetzt, in mein Leben zu übersetzen. Das ist eine grosse Herausforderung. Weihnacht ist die Geschichte, dass es Gott tatsächlich geschehen lässt.

Erschienen in "Kirche und Welt", 12/2018

Donnerstag, 1. November 2018

In «seinem» Namen

Gebeine von Kriegsgefallenen in einem Ossarium in IltalienVor gut 400 Jahren begann der 30-jährige Krieg.

So wie der Krieg selbst ein riesiges Durcheinander war, so waren auch die Ursachen vielfältig. Es ging um Macht, um Einfluss, um Politik – und um Religion. Bilder von Galgenbäumen und Zeugnisse von Überlebenden mahnen uns zur Erinnerung. Was aber sollen wir zu all dem sagen mit 400 Jahren Abstand?

Manchmal findet man in der säkularen Welt die passendsten Antworten. Ich erinnere mich verschwommen an eine Folge der gelben Comicfamilie «die Simpsons». Gegen Ende dieser Folge tritt der junge Bart sehr pathetisch für Gnade, Barmherzigkeit und Versöhnung ein. Happyend, möchte man meinen!

Doch dann macht die Sendung einen Zeitsprung von einigen hundert Jahren in die Zukunft und zeigt zwei Heere, die sich gegenüber stehen. Beide tragen sie die Symbole des Bart, also seine Stachelfrisur. Die einen schreien: «Er hat uns Gnade gelehrt.» Die anderen schreien: «Nein, er hat uns Barmherzigkeit gebracht.» Und so gehen sie aufeinander los …
Für einen Krieg wird der Mensch wohl immer wieder einen Grund finden – sei es Macht, Einfluss, Politik oder Religion. Schade eigentlich.
Erschienen in "Kirche und Welt", 11/2018

Freitag, 5. Oktober 2018

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft ist gegen die Änderung des Zivildienstgesetzes

In seiner Vernehmlassung zur vorgeschlagenen Änderung des Zivildienstgesetzes vom 20. Juni 2018 schreibt der Ausschuss Kirche und Gesellschaft:

"Als Kirche sehen wir keine Veranlassung, an der heutigen Praxis etwas zu ändern. Der Zivildienst in seiner heutigen Form funktioniert gut. Er ist wirkungsvoll, effizient und sinnvoll. 
Die vorgeschlagene Änderung richtet sich gegen den geltenden Zivildienst. Statt den Militärdienst zu verbessern, soll der Zivildienst weniger attraktiv ausgestaltet werden ... 
Als Kirche sind wir überzeugt, dass man Zivildienst und Armee nicht gegeneinander ausspielen darf. Beide nehmen wichtige Aufgaben zugunsten der Zivilgesellschaft wahr. Ziel muss sein, beide Institutionen je aus sich heraus so zu gestalten, dass die spezifischen Aufgaben erfüllt werden können. Wird der Zivildienst in seiner Attraktivität verschlechtert, erhöht man damit noch nicht die Attraktivität der Armee. Wir befürchten, dass eine solche 'systemische Manipulation' letztlich der Armee und dem Zivildienst schadet.   
Aus diesem Grund lehnt der Ausschuss 'Kirche und Gesellschaft' der Evangelisch-methodistischen Kirche die Änderung des Zivildienstgesetzes ab. Keine der sieben Massnahmen findet unsere Zustimmung."

Hier finden Sie den vollständigen Vernehmlassungstext!

Montag, 1. Oktober 2018

Diversität und Innovation

Innovation und Diversität
Kürzlich habe ich gelesen, dass die Geschäftswelt etwas entdeckt hat, was Paulus und Ezechiel schon längst wussten und was Jesus praktizierte: eine bunte Mischung fördert Lebendigkeit oder Innovation. Gottes erneuernde und belebende Geistkraft fügt unterschiedliche Glieder zu einem funktionsfähigen und lebendigen Körper zusammen. Die Unterschiede zwischen den Gliedern sind die Voraussetzung für ihre Gemeinschaft.
Wir Menschen müssen uns immer wieder zu dieser Wahrheit durchringen. Es scheint naheliegender, dass es homogen besser ginge: "nur wir Israeliten", "nur wir jüdische Christen", "nur wir Weissen", "nur wir Rechtgläubigen", "nur wir Männer" oder "nur wir Heterosexuellen". 
Dieser Weg führt immer in eine Sackgasse und oft zu Gewalt. Er verneint Erfahrungen, die zeigen, wie lebendig und zukunftsfähig buntgemischte Kulturen sind, die starre Strukturen neu aufmischen.
Lassen wir uns doch ein auf die Geistesvernunft, die bunt mischt und belebt. Lassen wir uns ein auf die sinnvolle und sinnstiftende Herausforderung, lebendiger Körper Christi zu sein.


Erschienen in "Kirche und Welt", 10/2018

Dienstag, 18. September 2018

Wirtschaften nach dem Schalom Gottes (Teil 6)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Die nachfolgenden Bemerkungen von Markus Nagel beziehen sich auf den
Abschnitt «The Economic Community» (Die wirtschaftliche Gemeinschaft).


Armut und Reichtum
Wenn ChristInnen Stellung beziehen in Fragen nach dem guten wirtschaftlichen Handeln, zur Frage nach dem Reichtum und der Arbeit, gibt es und gab es sehr verschiedene Meinungen. 
Hier einige kurze Streiflichter:
Die protestantische Erwerbsethik von Max Weber, dem bekannten Ökonomen am Anfang des 19. Jahrhunderts, berief sich auf den Reformator Johannes Calvin, für den Protestantismus und Kapitalismus dasselbe war: Nur der Erwählte ist beruflich erfolgreich und kann durch harte Arbeit Gottes Ruhm vermehren. Gelungene Arbeit galt als ein Zeichen für Gnadensgewissheit, wonach der religiöse Mensch sein Leben lang strebt. 

Diese Grundüberzeugung nahmen die evangelikalen Christen aus den USA und Nordeuropa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf und machten daraus ihr «Wohlstandsevangelium». In einem Satz gesagt bedeutet das: «Gott will deinen Wohlstand und dein körperliches und seelisches Wohlbefinden».  

Im 20. Jahrhundert breitete sich in vielen Teilen der Welt grosse Armut aus. Den vielen Armen im Globalen Süden stand eine kleine Minderheit gebildeter Schicht der Reichen und Etablierten gegenüber. Aus den Reihen der Kirchen, vornehmlich der katholischen Kirche erwuchs Widerstand. Die Option für die Armen, als wichtiges Thema wurde laut, es kam vereinzelt sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen. 

Innerhalb der protestantischen Kirche entstand, ausgehend von Protesten zum Vietnamkrieg und zur Apartheid in den USA, eine Theologie, die sich für den Ausgleich zwischen Arm und Reich einsetzte. Von Seiten der verfassten Kirchlichkeit musste sich diese Theologische Richtung immer wieder den Marxismus-Vorwurf gefallen lassen, bis heute. 

Die Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) bezieht in den «Sozialen Grundsätzen» Stellung zu aktuellen wirtschaftlichen Themen:
Die Verfasser der sozialen Grundsätze sind sich sicher, dass jeder Einzelne verpflichtet ist, sorgsam mit dem Eigentum und den Ressourcen der Welt umzugehen. Die Gesellschaft muss umgestaltet werden. Es wird als christlicher Auftrag formuliert, dass die Gesellschaft nicht den Wohlstand der wenigen vermehrt, sondern allen dient. Das Schalom Gottes soll im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, in der wir leben. Das Schalom Gottes soll aber auch für die grosse weite Welt gelten und sich als Gegenkraft entfalten zu einer Globalisierung die immer weiter um sich greift und die Lebensgrundlagen jedes Einzelnen gestaltet und verändert: Die AutorInnen beziehen Stellung zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der menschlichen Arbeit und zur Umweltverschmutzung. Deutlich wird betont, dass die internationalen Finanzströme, welche während der Finanzkrise 2008 viele Menschen in Armut stürzten und der vielfach aggressive Freihandel nur auf den Profit von Grosskonzernen ausgerichtet ist und der kleinräumigen und nachhaltigen Landwirtschaft schwer zusetzt und auf ihre Zerstörung aus ist. 

Schmerzliche Realität ist auch, dass viele Menschen ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung und andere Notwendigkeiten nicht oder nur unzureichend befriedigen können. Dazu kann man in den «Sozialen Grundsätzen» einiges Spannendes und Herausforderndes lesen.
Abgeschlossen wird der Abschnitt mit den besonders schrecklichen Praktiken des Menschenhandels, der modernen Sklaverei. 
Wenn auch das Dokument in einer abgeklärten Sprache verfasst ist, benennt es doch die Missstände gerade im Wirtschaftsleben mit klaren Worten. Für die VerfasserInnen muss alles Wirtschaften auf das grosse Schalom Gottes ausgerichtet sein, wie es Maria im Lobgesang besingt und fordert: 


Meine Seele preist die Größe des Herrn, / und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. / Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. / Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. / Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. / Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; / er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. / Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. / Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, / das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. (Das Magnificat – Lukas 1,46b-55)

The Economic Community in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/economic-community

Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Samstag, 1. September 2018

«Wo warst du, als ich die Erde gründete?»

Aussicht vom Brisen, SchweizDer Monolog Gottes in Ijob 38-41 ist eine meiner Lieblingsstellen in der Bibel. Gott zählt Ijob gegenüber auf, was er alles an dieser Erde getan hat, und antwortet somit auf all die Anschuldigungen, die Ijob ihm entgegengeworfen hat. Oder besser gesagt, er antwortet nicht auf die Anschuldigungen, sondern er setzt diese in Perspektive.

Warum aber gibt Gott Ijob diese Antwort und nicht eine andere? Gott könnte auch antworten mit: «Schau, ich habe alles in der Hand. Ich weiss schon, was ich tue. Du musst mir einfach vertrauen». Ich glaube, dass Gottes Antwort viel einleuchtender und nachhaltiger ist für Ijob, als wenn er ihm einfach sagen würde, dass er vertrauen soll. Gott gibt Ijob in dieser Antwort die Chance, sich selbst zu demütigen. Sich selbst in Demut zu üben gegenüber einem Gott, der diese Welt geschaffen hat. Es geht darum, dass er Gott wieder als Gott erkennen und anerkennen darf.

Vielleicht dürfen auch wir durch die Natur, die Gott geschaffen hat, wieder neu demütig werden. Wir kommen nicht umhin zu erkennen, dass wir Menschen in der heutigen Zeit immer mehr Macht haben, in die Natur einzugreifen – wie können wir also demütig mit dieser Macht umgehen?


Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 9/2018

Dienstag, 14. August 2018

Mit grosser Macht kommt grosse Verantwortung (Teil 5)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Die nachfolgenden Bemerkungen von André Töngi beziehen sich auf den
Abschnitt «The Nurturing Community» (Die menschliche Gemeinschaft).

«Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen! Unser Ebenbild, uns gleich sollen sie sein!
Herrschen sollen sie über die Fische im Meer und über die Vögel in der Luft! Sie sollen Macht haben über das Vieh und über die ganze Erde. Und sie sollen über alles gebieten, was sich am Boden bewegt.
Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er sie.» (1. Mose 1, 26-27)

Die Sozialen Grundsätze der Evangelisch-methodistischen Kirche
So beginnt der zweite Teil der überarbeiteten Sozialen Grundsätze (Social Principles) und befasst sich dabei mit dem Thema der «Menschlichen Gemeinschaft». In diesem einen Vers sehen wir, warum und wozu wir als Menschen bestimmt sind. Gott hat uns geschaffen, damit er eine Beziehung mit uns haben kann – und damit wir Beziehung miteinander und dieser Schöpfung haben können. Gemeinsam, als Mann und Frau, Mensch und Mit-Mensch, sind wir beauftragt, über alles zu gebieten, was sich am Boden bewegt. Damit wird uns eine Macht zuteil, die es sorgfältig und überlegt zu gebrauchen gilt. Denn, wie heisst es so schön: «Mit grosser Macht kommt grosse Verantwortung». Auf diese Macht und die damit einhergehende Verantwortung, die uns Gott in der Schöpfung zuteil lassen hat, antworten die Sozialen Grundsätze der Evangelisch-methodistischen Kirche. In diesem Unterkapitel geht es besonders darum, wie wir uns als Menschen untereinander verhalten.

Wir sind eine vielfältige Kirche, die in ihrer Zugehörigkeit zu Gott ihre Einheit findet. In dieser Vielfalt wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Menschheit wieder zueinander finden kann. Diese fruchtbare Spannung zwischen Vielfalt und Einheit wird in verschiedenen Bereichen in diesem Unterkapitel dargestellt: im Abschnitt über die «Familie» lesen wir, dass Familie die grundlegende Gemeinschaft eines jeden ist, die von gegensätzlicher Liebe, Verantwortlichkeit füreinander und gegenseitiges Füreinander-Sorgen geprägt ist. In welcher Form sich diese Familie zeigt, kann in unseren Kontexten und Kulturen sehr unterschiedlich sein. Eines aber soll ihnen gemeinsam sein: Unsere Familien hier auf der Erde sollen ein Abbild jener Familie sein, die Gott für uns alle schafft.

Die Sozialen Grundsätze betonen, dass es keine Diskriminierung in unserer Gemeinschaft geben darf, da es diese auch von Gott nicht gibt: wir diskriminieren keine Singles oder alleinstehende Elternteile, keine Personen mit Behinderungen, wir diskriminieren nicht aufgrund von Geschlecht und setzen uns über die Kirche hinaus in der Gesellschaft gegen solche Diskriminierungen ein. Dies kann im kleineren Rahmen geschehen, wie beispielsweise, dass wir gegen Mobbing einstehen, oder auch da, wo Diskriminierung längst schon zum System geworden ist, wie zum Beispiel im Falle der sexuellen Ausbeutung. 

In all diesen Abschnitten wird vor allem eines betont: Menschliches Leben und Miteinander erlaubt nicht immer eine klare Linie und somit auch keine strikte Regelhaftigkeit, aber es erlaubt (und Gott gebietet) ein würde-volles Miteinander, das von Vergebung anderen und sich selbst gegenüber geprägt ist. Besonders gelungen finde ich in dieser Hinsicht den neu formulierten Abschnitt über «Ehe und Ehescheidung» - empfehlenswert für die eigene Lektüre und zum weiter drüber Nachdenken: als Singles, Partner und Gemeinschaft. Aber auch die anderen Abschnitte, von denen ich in diesem Text nur einige ansprechen konnte, sollen helfen, uns erneut darüber Gedanken zu machen, welche Werte in unserer Gemeinschaft miteinander und mit Gott wichtig sind.

Ein Abschnitt in diesem Unterkapitel bleibt nun noch offen, nämlich derjenige über die menschliche Sexualität. Hier wird es an der kommenden, speziell einberufenen Generalkonferenz zu Gesprächen darüber kommen, wie mit der Vielfalt und Einheit unserer Kirche und den Menschen in unserer Kirche umgegangen wird. Dies wird ein herausfordernder Prozess für uns als Kirche und Gemeinschaft. Lasst uns also im Gebet, Gespräch und Handeln darüber bleiben, wie wir Gottes Wunsch auf Beziehung auch in unseren Beziehungen untereinander leben können.


The Nurturing Community in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/the-nurturing-community

Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Dienstag, 7. August 2018

Wir sind ein Teil des Gewebes (Teil 4)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Die nachfolgenden Bemerkungen von André Töngi beziehen sich auf den
Abschnitt «The Community of all Ceation» (Die Gemeinschaft alles Erschaffenen).


Die Sozialen Grundsätze der Evangelisch-methodistischen Kirche
In seiner berühmten Rede des Häuptlings Seattle an den amerikanischen Präsidenten Franklin Pierce erklärt er, wie die Indianer die Welt verstehen:
«Der Mensch kann kein Gewebe erschaffen, sondern er ist nur wie eine Faser im Gewebe. Jegliche Störung an der Erde wird eine Störung an Euch selbst sein.»

Was hat ein Indianerspruch auf einem christlichen Blog zu suchen? Sehr viel, wenn man die überarbeiteten Sozialen Grundsätze liest. Im Kapitel «C) Wisdom, Science and Technology» aus dem Hauptbereich «The Community of all Creation» steht: «Mensch sind nicht der Mittelpunkt; vielmehr sind wir alle Teile am Netzes des Lebens.»

Die Sozialen Grundsätze, Richtschnur des methodistischen Glaubens, sind einem dynamischen Prozess unterworfen. Immer wieder werden sie der Zeit angepasst und biedern sich trotzdem nicht irgendwelchem Zeitgeist an. Da wird um jedes einzelne Wort gerungen. Die kulturelle und politische Vielfalt, die unsere Kirche prägt, macht es nicht immer einfach, einen gemeinsamen Nenner zu finden. 

Am Anfang der Sozialen Grundsätze steht die Schöpfung, auf Englisch «Creation». Diese beiden Begriffe bringen den Kerngehalt der Urgeschichte recht deutlich zum Ausdruck: Gott schafft mit seinem schöpferischen, kreativen Geist aus dem Chaos eine lebendige Welt.

Die Erde ist bedroht: Waren es früher Naturgewalten wie Dürre und Überschwemmungen, so steht der Mensch immer mehr im Fokus. Zu nennen sind grausamen Kriegen, die bis heute viele Millionen Opfer fordern. Spätestens seit der Aufklärung wird die Natur ausgebeutet. Der Mensch macht sich die Erde untertan – ob das Gott so gewollt hätte – wohl kaum.

In den sozialen Grundsätzen steht: Die ganze Schöpfung gehört dem Herrn, und wir sind für die Art und Weise verantwortlich, in der wir sie brauchen und missbrauchen.

Dieser Hitzesommer mit den vielen verheerenden Waldbränden in ganz Europa zeigt deutlich, dass die Welt aus dem Lot geraten ist. Riesige Urwälder werden abgeholzt, damit wir im reichen Westen billiges Holz, Palmöl, Kaffee und Schokolade kaufen können. Wir schaffen so nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge. Immer mehr Menschen müssen ihr Zuhause verlassen; weil es wegen Umweltgefahren unwirtlich geworden ist.
   
Erstmals tauchen in den Sozialen Grundsätzen die indigenen Völker als gleichwertige Partner auf. Es sind nicht mehr die Völker, die man mit aller Gewalt bekehren muss, um in den christlichen Himmel zu kommen. Es heisst: Wir respektieren die Weisheit und die Art und Weise des Wissens, die von indigenen Völkern praktiziert wird…. In einem weiteren Abschnitt wird indigenes Wissen in Bezug auf die Natur anerkennt und indigene Rituale, Traditionen und Lebensweisen respektiert. 

Mit Sorge werden in diesen Grundsätzen die indigenen Völker als erste Opfer unseres Klimawandels betrachtet. Gefordert wird ein Schutz aller Ureinwohner vor einer zu aggressiven Entwicklung.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Papier nicht zum Papiertiger verkommt. Gerade die obersten Gremien der weltweiten United Methodist Church sollten sich diese Sozialen Grundsätze vermehrt zu Herzen nehmen. Immer wieder laden sie weltweit zu einem zwei- oder dreitägigen Meeting nach Amerika ein. Meetings, die man oft auch über Skype abwickeln könnte. Unsere Zentralkonferenz versucht wenigstens mit einem Beitrag an den Klimarappen das Ganze etwas abzufedern. Im letzten Jahr wurde dadurch eine Heizung in Serbien saniert, ein kleiner aber wichtiger Beitrag zum Umweltschutz.

Lassen wir zum Schluss noch einmal Häuptling Seattle zu Wort kommen: 

«Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der grosse Adler sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und des Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.»

The Natural World in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/the-natural-world

Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Dienstag, 31. Juli 2018

Gerechtigkeit und Frieden der Weltgemeinschaft (Teil 3)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Die nachfolgenden Bemerkungen von Marietjie Odendaal beziehen sich auf den
Abschnitt «The World Community» (Die Weltgemeinschaft).

Ich freue mich sehr, dass ich in einem Text der Kirche viele von meinen Anliegen wiederfinde. Da spüre ich, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin, die am gleichen Strick zieht. Wenn ich die Neufassung der sozialen Grundsätze lese, begrüsse ich besonders die folgenden Aussagen:

    Die Sozialen Grundsätze der Evangelisch-methodistischen Kirche
  • Regierungen werden verantwortlich gemacht für das Wohlergehen aller BewohnerInnen (Abschnitt B).
  • Die globale Dominanz von ökonomisch mächtigen Nationen wird als Problem für schwächere Nationen anerkannt (Abschnitt C).
  • Krieg steht in Widerspruch zur Nachfolge Christi (Abschnitt E).
  • Zu Recht wird der dringend nötige Einsatz für Frieden (auf der Basis von Gerechtigkeit) beteuert (Abschnitt F).
  • Migration ist eine globale Frage, die Staaten und Regionen ganz unterschiedlich herausfordert. Die Kirche ist immer mittendrin, ob sie sich dessen bewusst ist oder nicht. Ich würde die weltweite Migration (Abschnitt I) jedoch in dem Abschnitt C (National Power and Responsibility) integrieren.
  • Der neu hinzugekommene Abschnitt zur Kommunikation ist erfreulich aktuell (Abschnitt J).

In diesen Aussagen höre ich, dass wir Teil einer Weltgemeinschaft, und dass unsere Schicksale miteinander verbunden sind. Darum ist es wichtig, dass wir dort, wo wir sind, auf Gottes neue Welt für alle hinarbeiten.
In einigen Themenbereichen wünsche ich mir noch mehr Klarheit, und dass die Kirche als eine andere Stimme hörbar wird als die, welche uns sonst schon überall begegnen. So vermisse ich in diesem Entwurf folgendes:

Im Abschnitt D (Justice and Law) fehlt der Auftrag, Verstösse gegen Recht und Gerechtigkeit zu bezeugen. Damit das geschehen kann, muss sich jeder einzelne Mensch und im Besonderen die Kirche entsprechend informieren.

Zu Abschnitt E (War and Peace) fällt die theologische Begründung mager aus. Zu ergänzen wären:

  • Das Töten widerspricht Gottes Erlösungshandeln und der Einladung zur Umkehr. 
  • Jesus ruft zur Feindesliebe auf (vgl. die aktuelle Version der Sozialen Grundsätze www.soziale-grundsaetze.ch). 
  • Die frühe Kirche erachtete den Krieg als Widerspruch zur christlichen Nachfolge. Diese Klarheit ging im Laufe der konstantinischen Wende verloren, als die Kirche sich immer stärker dem Staat verpflichtete. Ist der Staat wichtiger als Gottes Reich?
  • Abrüstung müsste von grösseren Investitionen in die zivilen technischen Entwicklungen begleitet werden.

Weiter frage ich mich, ob das Thema der globalen Gesundheit (Global Health – Abschnitt G) nicht zu Abschnitt A (Human Dignity, Rights and Responsibilities) gehört? Das Thema ist jedenfalls aktuell und brisant. Ergänzt werden sollte, dass Gesundheit keine Ware ist und medizinische Versorgung nicht dem ökonomischen Profit geopfert werden darf.

Zu Religious Freedom (Religionsfreiheit – Abschnitt H) stellt der letzte Satz im zweiten Abschnitt eine steile Behauptung auf, die ich so nicht teile: dass die freiwillige und erzwungene Migration von Menschen Staaten vermehrt dazu führe, die Religionsfreiheit einzuschränken. Vielleicht reagieren Regierungen so, aber diese Reaktion ist nicht zwangsläufig und kann auf andere Weise einleuchtender begründet werden.
Es irritiert mich auch, dass die Lausanner Verpflichtung (im dritten Abschnitt) im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit erwähnt wird. Hinter der Verpflichtung steht ja, gemäss eigenem Selbstverständnis, eine christlich-evangelikale Missionsbewegung.

Im Abschnitt J über Global Communication (Weltweite Kommunikation) fehlt ein kritischer Hinweis auf die flächendeckende Überwachung der Kommunikation und den daraus folgende Verlust an Privatsphäre.

Letztlich freue ich mich, dass dieses Gespräch über die neuen Sozialen Grundsätze öffentlich erfolgt, so dass ich mich daran beteiligen kann.

The World Community in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/the-world-community
Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Dienstag, 24. Juli 2018

Gerechtigkeit und die politische Gemeinschaft (Teil 2)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

The Social Principles of The UMC
Die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) hat seit ihren Anfängen immer wieder mit den Fragen rund um den überdimensionalen Begriff «Gerechtigkeit» gerungen. Dem Ruf aus Micha 6,8 folgend ist die Aufgabe eines jeden Menschen unter anderem «Gerechtigkeit zu üben». Dieser Ruf gilt dem Einzelnen genauso wie jeder politischen Regierung. Gerechtigkeit muss dem Wohle der Gesellschaft dienen, die Armen und Ohnmächtigen schützen und Systeme entwickeln, die das allgemeine Gute fördern. Die Sozialen Grundsätze (Social Principles) rammen einige Grundpfeiler in diesen grossen Fragen- und Themenkomplex, an dem sich die Kirche in ihrer Auseinandersetzung mit der politischen Macht zu orientieren hat.

Der Text zur «V. The Political Community» (siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!) ist (überraschend) prägnant formuliert und (weniger überraschend) theologisch fundiert. Besonderes Augenmerk wird natürlich der Rolle der Kirche im politischen Umfeld gewidmet. Kirche und Staat sollen voneinander unabhängig sein und bleiben. Aufgabe der Kirche ist es einerseits, für die Regierenden zu beten, und andererseits eine prophetische Rolle zu übernehmen und Missstände mit klaren Worten und Taten aufzuzeigen. Das spricht mir ganz aus der Seele. Ich schätze das Prinzip Freiheit über alles. Die Kirche darf sich nicht an die Bedürfnisse der Herrschenden anpassen, nur um wohlgefällig zu sein oder geduldet beziehungsweise gefördert zu werden. Kirche ist immer ein Stachel im Fleisch der Macht; so wie Jesus (und alle Propheten vor ihm) ein Stachel im Fleisch der religiösen, politischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht war.

Dazu passt, dass die Sozialen Grundsätze eindeutig Stellung zu den Menschenrechten, inklusive Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit, dem Recht auf sauberes Wasser und Grundversorgung etc. nehmen. Besonders ins Auge stach mir dabei der Satz: «Bildung ist ein Menschenrecht». Dieser scheinbar einfache Satz allein birgt genügend Herausforderungen für uns als Gesellschaft in sich. Noch lange haben nicht alle Menschen dieselben Bildungschancen – auch nicht bei uns in der wohlhabenderen Hemisphäre.

Nach der Klarstellung dieser Sachverhalte stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit der Regierungen. Beim Lesen des Textes musste ich lächeln. Kurios und gleichzeitig immer wieder erschreckend ist, dass gewählte Politiker/innen sich nicht selbstverständlich ihres Amtes gemäss verhalten. Stichworte hierzu sind: Verlässlichkeit, Offenheit, Transparenz. Ich schreibe diesen Text nur wenige Tage, nachdem der amerikanische Präsident das „Atom-Abkommen“ mit dem Iran einseitig für ungültig erklärt hat. Gleichzeitig wird, was mich als Wahlberechtigten eines EU-Landes besonders beschäftigt, hinter verschlossenen Türen immer noch über CETA und TTIP verhandelt. Die Schlagworte Verlässlichkeit, Offenheit, Transparenz wirken in diesem Zusammenhang zwar schön, aber auch hohl. Das Vertrauen in die politische Klasse scheint heute aus guten Gründen an einem Tiefpunkt angelangt zu sein. 

Gerade deshalb fand ich es erfrischend, dass die Sozialen Grundsätze «zivilen Ungehorsam» gutheissen, sofern dieser gewaltfrei erfolgt – und die legalen Konsequenzen der Aktionen akzeptiert werden. Natürlich muss «ziviler Ungehorsam» dabei immer dem höheren Gut dienen, nämlich der Bekämpfung von Bosheit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Martin Luther King Jr. und Dorothy Day schiessen mir spontan durch den Kopf …

Da jede Regierung die Verantwortung hat, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, stellt sich selbstverständlich auch die Frage nach dem Justizwesen eines Staates. Dass die Todesstrafe von der Kirche abgelehnt wird, ist naheliegend. Dass sie aber mit dem Werkzeug der «restaurativen Justiz» auch einen wertvollen Beitrag zur Neugestaltung unseres Justizwesens beizutragen hat, ist den meisten Menschen weniger geläufig. Viele nehmen es als gegeben hin, dass wir ein «Strafsystem» pflegen, das Opfer und Täter völlig trennt. Das Opfer hat in der Regel von der Bestrafung des Täters wenig (ausser eine gewisse persönliche Genugtuung vielleicht). Und der Täter hat kaum eine Chance, seine Tat wieder gut zu machen. Dagegen plädieren die Sozialen Grundsätze für einen Weg, der Opfer und Täter zusammenführt und für einen gewissen Ausgleich sorgt.

Der letzte Abschnitt zur politischen Gemeinschaft handelt vom Militärdienst. Hier steht die Kirche in der Spannung zwischen einerseits radikalen Pazifisten und andererseits Befürwortern eines «gerechten Krieges» im Falle des Versagens aller friedlichen Bemühungen. Beide Seiten haben ihre guten Argumente und es ist schwierig, hier eindeutig Stellung zu beziehen. Kann ein Pazifist wirklich einem Genozid tatenlos zuschauen, selbst wenn die Möglichkeit bestünde, durch militärische Intervention ein noch grösseres Blutvergiessen zu vermeiden? Andererseits: Wer entscheidet, wann ein militärisches Eingreifen angebracht ist? Ab welcher Opferzahl beispielsweise?

Ich möchte dem Leser diese Gedanken selbst überlassen, aber ein unangenehmer Stachel soll doch noch formuliert sein. Bis ins frühe 4. Jahrhundert, als das Edikt von Elvira formuliert wurde, scheinen Christen jede Art von militärischem Dienst tunlichst vermieden zu haben. Das Edikt verlangt sogar von jedem Soldaten, der neu zum Glauben kommt, sofort seinen Dienst zu quittieren. Der Pazifist würde sagen: «Gut so. Wer eine Waffe in der Hand hält, kann kein Kreuz tragen.» Ein anderer könnte sagen: «Das war eine andere Zeit. Damals hatten Christen noch keine staatstragende Verantwortung. Die heutige Situation ist viel komplexer.» Entscheiden Sie selbst!

The Political Community in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/political-community
Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Dienstag, 17. Juli 2018

Auf dem Weg zu neuen Sozialen Grundsätzen (Teil 1)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Soziale Grundsätze der EMK 2020
Die aktuellen Sozialen Grundsätze gehen auf einen immer wieder überarbeiteten Text der weltweit organisierten Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK - englisch: The United Methodist Church) aus dem Jahr 1972 zurück. Das Dokument hat verschiedene Vorläufer. Der älteste ist das Soziale Bekenntnis der Bischöflichen Methodistenkirche aus dem Jahr 1908. Obwohl Teil der Kirchenordnung, sind die Sozialen Grundsätze nicht Kirchenrecht. Vielmehr wollen sie Richtschnur sein bei ethischen und sozialen Fragen.

Besonders in Europa wurden die Sozialen Grundsätze als zu stark auf die USA bezogen kritisiert und vielfach adaptiert. Eine Konsultation in Wien äusserte im Jahr 2006 einerseits den Willen, keine Adaptionen mehr an den Sozialen Grundsätzen vorzunehmen, andererseits sollten die Aussagen stärker an der methodistischen Theologie ausgerichtet und biblisch begründet sein. Weiter wünschte man sich deutlich präzisere Formulierungen, die dem weltweiten Charakter des Textes Rechnung tragen.

Seit etwa 8 Jahren enthält die offizielle deutschsprachige Übersetzung (www.soziale-grundsaetze.ch) keine lokalen Anpassungen mehr, mit Ausnahme einer für die EMK in Deutschland gültigen Abweichung bei den Aussagen zur Homosexualität.

Es dauerte einige Zeit, bis die Generalkonferenz 2012 beschloss, die vollständige Überarbeitung der Sozialen Grundsätze zu beginnen. Ab 2013 folgten dazu Hearings auf der ganzen Welt. Dabei wurde deutlich, dass die Sozialen Grundsätze sehr geschätzt werden, und dass man bei einer Überarbeitung keine inhaltlichen Verwässerungen von Aussagen wünscht.

Ab 2016 folgte unter der Leitung des General Board Church and Society (GBCS – https://www.umcjustice.org/) die Neubearbeitung der Sozialen Grundsätze. Sechs paritätisch zusammengesetzte Internationale Teams wurden beauftragt, den Text so zu überarbeiten, dass die Aussagen 1. präziser formuliert, 2. besser biblisch und methodistisch begründet und 3. von globaler Relevanz sind. Die inhaltliche Stossrichtung wurden nicht verändert.

Weitere Bearbeitungen vorwiegend zur sprachlichen und stilistischen Einheitlichkeit rundeten den Entwurf ab.

Seit Mitte April 2018 liegt dieser Entwurf in den Sprachen Englisch, Französisch, Portugiesisch und Suaheli öffentlich auf. Unter http://www.umcjustice.org/sp2020 kann er heruntergeladen und kommentiert werden. Es ist erwünscht, dass sich möglichst viele Arbeitsgruppen und Einzelpersonen an der Vernehmlassung beteiligen. Alle Rückmeldungen an das GBCS werden in eine erneute Weiterbearbeitung einfliessen.

In diesen Tagen und Wochen finden zudem Hearings und Interviews mit Fachpersonen aus der ganzen Welt statt.

Der Abschnitt zur menschlichen Sexualität ist noch nicht im neuen Entwurf enthalten. Er soll nach der zu dieser Thematik stattfindenden ausserordentlichen Generalkonferenz von Februar 2019 (http://www.umc.org/topics/general-conference-2019-special-session) nachgeführt werden. Die dortigen Beschlüsse werden berücksichtigt.

Der fertige Entwurf der Sozialen Grundsätze wird schlussendlich der Generalkonferenz 2020 (http://www.umc.org/events/detail/2020-general-conference) zur Annahme vorgelegt. Die Generalkonferenz kann weitere Änderungen am Text beschliessen, oder ihn auch ablehnen. In letzterem Fall würde die aktuelle Version in Kraft bleiben.

Sonntag, 1. Juli 2018

Nicht gesellschaftsrelevant

Vereinigungs-Generalkonferenz der EMK von 1968
Schaut man sich historische Filmdokumente der Vereinigungs-Generalkonferenz von 1968 an, bei der die heutige Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) entstand, dann fallen die fast ausschliesslich in schwarzen Businessanzügen gekleideten weissen Männer meist älteren Jahrgangs auf.

Schaut man sich die historischen Filmdokumente des Woodstock-Festivals von 1969 an, dann fallen die vielen Langhaarigen, bunt und leicht bekleideten weissen Jugendlichen auf, die in ausgelassener Stimmung Zeichen gegen das Establishment und den Vietnamkrieg setzten.

Schaut man die historischen Filmdokumente aus dem Jahr 1968 von der Ermordung Martin Luther Kings in Memphis, Tennessee an, dann fallen die fast ausschliesslich in Businessanzügen oder Röcken gekleideten schwarzen Frauen und Männer auf.

Da gab es vor 50 Jahren bei der Entstehung der EMK schon mehr als einen garstigen Graben zwischen der Kirche und den wichtigsten gesellschaftsbestimmenden Bewegungen. Mir scheint, schon damals war die EMK nicht mehr gesellschaftsrelevant und vermittelte ein Bild der Rückständigkeit.

Es wird Zeit, dies zu ändern. Bist du dabei?

Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 7+8/2018

Donnerstag, 21. Juni 2018

Warum ich meinen Regenbogen-Pin auch an der Konferenz tragen werde


Regenbogen-PIN
Ich sitze im Zug und spiele mit dem kleinen Pin an meiner Jeans-Jacke rum. Es ist eine kleine Schleife in den Farben des Regenbogens, dem internationalen Zeichen der LGBTQ-Bewegung [LGBTQ: Lesbian – Gay – Bi – Transgender – Queer (dt. Lesbisch – Schwul – Bisexuell – Transsexuell – Queer)]. Der Monat Juni gilt als der sogenannte «Pride»-Monat, ein Monat, der den Anliegen der LGBTQ-Gemeinschaft gewidmet ist und der einen Stolz (engl. «Pride») auf die Zugehörigkeit zu dieser Bewegung ausdrücken soll, anstatt der gesellschaftlich (und kirchlich?) oft geforderten Scham oder sogar Schuld. So sollen im Juni vermehrt Aktionen und Demonstrationen zu den entsprechenden Anliegen veranstaltet werden. Beispielsweise letzten Samstag fand die Schweizer Ausgabe einer solchen «Pride»-Demonstration in Zürich unter dem Motto «Same Love – Same Rights» (dt. «Gleiche Liebe – Gleiche Rechte») statt. 


Seit einigen Tagen beschäftigt mich die Frage: soll ich meinen Regenbogen-Pin für die Jährliche Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika der Evangelisch-methodistischen Kirche an der Jacke lassen oder wegnehmen? Dabei geht es mir um mehr, als nur eine Frage des Stils oder der allgemeinen Kleidervorschrift für solche Veranstaltungen. Im Grundsatz geht es um die Frage: will ich öffentlich Stellung beziehen zu meiner Position um die Frage der Homosexualität in der Kirche, oder will ich es mir vorenthalten, diese Position nur in ausgewählten Privatgesprächen kundzutun? Ein solcher Pin, mag er auch noch so unscheinbar wirken, zeigt ein Bekenntnis an. Ein Bekenntnis zu einer aktuell viel diskutierten Lage in der weltweiten Kirche, aber auch zu einem Thema, das in meinem privaten Umfeld vielerorts nicht abschliessend diskutiert ist. Ich bin hin und her gezogen, zwischen jenen Menschen in meinem Umfeld, die in ihrer Meinung zu diesem Thema noch nicht festgelegt sind und jenen Freunden, die der LGBTQ-Gemeinschaft angehören und in mir eine Verbündete in ihrem Kampf um Gleichstellung sehen.

Was, wenn ich es tue?
Was werden die Leute denken? Was wird die Kommission für ordinierte Dienste oder das Kabinett denken? Wie werden jene Menschen reagieren, die mich schon lange auf dem Weg meiner Berufung zur Pfarrerin begleiten? 
Ich habe Angst – nicht so sehr vor den Reaktionen, die ich zu hören bekommen werde, sondern vor jenen, die sich hinter meinem Rücken abspielen werden. Ich habe keine Angst davor, keine Antwort auf Anfragen oder Reaktionen zu haben, sondern davor, keine Möglichkeit auf Antwort oder Reaktion zu erhalten.  

Ich stocke in meinen Gedanken und realisiere, wie privilegiert ich mich anhöre.
Viele meiner Freunde haben eine solche Wahl nicht. Ihr «Coming Out» - also der Moment in dem sie vor ihrem Umfeld bekennen, dass sie homo-, bi-, transsexuell oder schlicht «queer» [Queer: alles, was nicht als «heteronormativ» verstanden wird, wird häufig unter dem Begriff «Queer» zusammengefasst. Man kann den Begriff als «Platzhalter» verstehen – für alles, was noch nicht definiert ist oder nicht definiert werden will (nach Maggie Nelson)] sind – ist ein Moment des nicht bloss privaten, sondern auch politischen Bekenntnisses. Meine Freunde hatten keine Wahl, ob ihre Sexualität zu einem politischen Thema ihres Umfeldes wird oder nicht. Sie mussten lernen, damit umzugehen, dass man hinter ihrem Rücken über sie redet. Über sie debattiert. Sie mussten zusehen, wie ihre Partnerwahl zu einer politischen Diskussion wurde. Sie mussten zusehen, wie sie zu einer kirchlichen Diskussion wurden.

Meine Freunde haben keine Wahl. Also habe ich, die ich in Solidarität mit ihnen stehe, keine Wahl.

Hier ist mein Bekenntnis: 
Ich unterstütze die LGBTQ-Gemeinschaft in ihrem Bestreben für Gleichstellung in der Gesellschaft und der Kirche.
Ich unterstütze die Kirche in ihrer Suche nach Einheit. 
Ich bin für Gespräche offen. Fragt mich nach meiner Meinung und nach meinen Beweggründen. Lasst uns ins Gespräch kommen. 

Ich bekenne Farbe  - oder sollte ich sagen: Farben?
Was ist dein Bekenntnis?

Dienstag, 8. Mai 2018

«Wir hatten Wichtigeres zu tun»

Kriegsgräber aus dem 1. Weltkrieg in Verdun Frankreich
Die internationale Debatte, ob die EMK gleichgeschlechtliche Paare segnen oder schwule und lesbische PfarrerInnen ordinieren sollte, droht die methodistische Kirche zu spalten. Manche argumentieren, dass Heterosexualität zur Schöpfung gehört. Andere sagen, dass die Gerechtigkeit die Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und die Ordination schwuler und lesbischer Pfarrer verlangt. Aber wieso ist das so wichtig? ChristInnen sind angesichts vieler ethischer Fragen unterschiedlicher Meinung, aber keine dieser Meinungsverschiedenheiten bedroht die Zukunft der EMK!
Jedes Jahr gibt es bestätigt 6000 tote MigrantInnen auf der Flucht nach Europa - die eigentliche Zahl der Opfer ist viel höher. Schätzungsweise 140000 Menschen starben 2016 in bewaffneten Konflikten. Ungefähr 9 Millionen verhungern jedes Jahr.
Der Herr wird sagen: «Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben. Ich war ein Fremder, und ihr habt mich nicht als Gast aufgenommen. Ich war nackt, und ihr habt mir keine Kleider gegeben. Ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt euch nicht um mich gekümmert.» (Matthäus 25,42-44, BasisBibel) Dann werden wir antworten: «Wir haben uns um Homosexualität gestritten!»


Erschienen in "Kirche und Welt", 5/2018

Mittwoch, 4. April 2018

Eigenbrötler in der Kirche

Eigenbrötler in der Kirche
Eigenbrötler darf es in der heutigen Zeit nicht geben. Zusammenarbeit ist in der Arbeitswelt zwingend. Teamfähigkeit macht sich in jedem Bewerbungsschreiben gut.
Aber es gibt sie noch, die einsamen Wölfe im sozialen Geflimmer der realen Zivilisation. Der Störgärtner, der sich allein über Blumenrabatten beugt. Der Bäcker in der nächtlichen Backstube. Die Putzfrau in den menschenleeren Büros.
Wieviel Platz ist in den Kirchen für die, die am liebsten für sich selbst sind? Ich habe die Unbeholfenheit der Gemeinden mit den Unverheirateten, den Ruhigen, den Unauffälligen erlebt. Im erträglichen Fall waren die "Alleinstehenden" unsichtbar. Oft aber misstraute man ihnen. "Mit dem stimmt doch etwas nicht. Warum findet er keine Frau, sie keinen Mann?"
Allein leben wollen, das ist unverständlich für Menschen, die nicht allein leben können, die andere brauchen, damit es ihnen gut geht.
Meine Fragen dazu: Haben Eigenbrötler Platz in unseren Gemeinden? Und was unterscheidet diese Einzelgänger von Solochristen? Und sind die Gemeinschaftschristen vielleicht eher an der Gemeinschaft als an Christus interessiert?